Museen BöttcherstraßeMuseen Böttcherstraße

Paula Modersohn Becker Kind auf rotgewuerfeltem Kissen um 1904 Museen Boettcherstrasse Paula Modersohn Becker Musuem Bremen Paula Modersohn-Becker, Kind auf rotgewürfeltem Kissen, um 1904, Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen

Kind auf rotgewürfeltem Kissen

Von Dr. Henrike Hans

Als Ludwig Roselius am 2. Juni 1927 im Rahmen einer großen Feier das „Paula Becker-Modersohn-Haus“ (so die ursprüngliche Bezeichnung des heutigen Paula Modersohn-Becker Museums) eröffnete, war unter den 42 präsentierten Gemälden der Künstlerin auch das Kind auf rotgewürfeltem Kissen (um 1904). Roselius hatte das Bild 1920 von der Mutter Paula Modersohn-Beckers erworben und schätzte es besonders, wie er in einem Brief betonte:

»Das Bild ist so außerordentlich schön, dass ich es unbedingt haben musste. Kein zweites weist diese Einheitlichkeit und Geschlossenheit auf.«

 

Paula Modersohn-Becker hat immer wieder Kinder gemalt. Zum Teil aus praktischen Gründen: Worpsweder Bauernkinder waren verfügbar und bereit, ihr gegen ein kleines Entgelt Modell zu sitzen. Darüber hinaus suchte sie nach einem neuen Ausdruck in der Malerei, wie Otto Modersohn 1903 in seinem Tagebuch feststellte:

»Paula hasst das Konventionelle […] Die Farbe ist famos – aber die Form? Der Ausdruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins. Sie ladet sich zuviel auf. Zwei Köpfe, vier Hände auf kleinster Fläche, unter dem tut sie es nicht - und dazu Kinder!«

Kinderdarstellungen folgten üblicherweise zwei Zielen in der Malerei: Repräsentation oder anekdotische Süßlichkeit. Paula Modersohn-Beckers Kinderbildnisse weisen jedoch nichts davon auf. Das Kind auf rotgewürfeltem Kissen ist dafür ein außerordentliches Beispiel.

Paula Modersohn-Becker, Kind auf rotgewürfeltem Kissen, um 1904, Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen

Das sitzende blonde Mädchen ist im Profil wiedergegeben und ganz vertieft in eine Blume, die es in den Händen hält. Die Figur ist mittig auf der Leinwand platziert und in einer sparsamen Stufenfolge aus Rot- und Brauntönen aufgebaut. Die Perspektive ist scheinbar die eines Erwachsenen auf ein sitzendes Kind, quasi von oben. Und trotzdem wirkt das Mädchen monumental. Paula Modersohn-Becker verzichtete darüber hinaus auf jegliche Erzählung. Auch die Hände sind nicht detailliert gezeichnet und farbliche Akzente - über Haar und Blume hinaus - gibt es nicht. Dadurch wirkt das Bild in Ausdruck, Farbe und Komposition bemerkenswert verdichtet und konzentriert. Es weist über ein individuelles Modell hinaus und verkörpert etwas zutiefst Menschliches. Bewegung und Struktur erzielte sie über die Muster von Kleid und Decke. Vor allem ist es jedoch die Malweise, die Spannung erzeugt: Die Linien des Kleides sind – möglicherweise mit dem Pinselstiel – in die Farbe eingeritzt, die Karos der Decke dagegen gespachtelt und der Hintergrund im Kontrast zum Kleid mit horizontaler Strichführung gemalt.

Nahaufnahmen von der Leinwand

Roselius sammelte seit 1919 Werke von Paula Modersohn-Becker mit dem Ziel, der Künstlerin ein Museum zu widmen. Neben dem Kindauf rotgewürfeltem Kissen hatte er auch andere Bilder ganz konkret im Blick. 1926 erwarb er rund 20 Gemälde der Künstlerin, darunter die Kniende Mutter mit Kind an der Brust, die sich heute in der Nationalgalerie Berlin befindet. Dieses Bild würde „sehr gut für die Bremer Sammlung“ passen, schrieb Roselius dem Vorbesitzer und kaufte es ein halbes Jahr vor Eröffnung des Museums. Von Paula Modersohn-Beckers Tochter Mathilde („Tille“) erhielt er das Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag zunächstals Leihgabe, bevorer es zwei Jahre später erwerben konnte. Durch Tausch gegen ein Herrenbildnis von Abraham de Vries mit der Kunsthalle Bremen konnte er mit der Armenhäuslerin im Garten mit Glaskugel und Mohnblumen ein weiteres Hauptwerk der Künstlerin präsentieren. Überzeugt von seinem Museumsprojekt schrieb er an Mathilde Becker, die Mutter Paula Modersohn-Beckers:

»Ich habe das Gefühl, dass es die allerhöchste Zeit war, eine derartige Zusammenfassung der Werke der nach meiner Ansicht bedeutendsten Malerin in Bremen zu erhalten.«

  • Paula Modersohn-Becker Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag, 25. Mai 1906 Pappe, 101,8 x 70,2 cm
  • Paula Modersohn-Becker, Alte Armenhäuslerin im Garten mit Glaskugel und Mohnblumen, 1907, Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Musuem, Bremen

Mehr zum Thema