Cécile Bertran, Direktorin des Musée Camille Claudel, im Interview zur Ausstellung „Camille Claudel & Bernhard Hoetger. Emanzipation von Rodin“
Mit „Camille Claudel & Bernhard Hoetger. Emanzipation von Rodin“ zeigt das Paula Modersohn-Becker Museum die umfangreichste Präsentation der Werke der französischen Künstlerin in Deutschland seit fast 20 Jahren – dank der Kooperation mit der Alten Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, und dem Musée Camille Claudel, Nogent-sur-Seine.
Die Direktorin des Musée Camille Claudel, Cécile Bertran, spricht im Interview unter anderem über die Idee, die Bedeutung und die Herausforderungen der länderübergreifenden Ausstellung.
Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen dem Musée Camille Claudel in Nogent-sur-Seine und dem Paula Modersohn-Becker Museum?
Die einzige Werkschau, die Camille Claudel zu Lebzeiten hatte, war tatsächlich eine Doppelausstellung mit Bernhard Hoetger. Ich hatte mich lange gefragt, warum der Galerist Eugène Blot sich dafür entschieden hatte, sie zusammen auszustellen und wie ihre Werke aussahen, als sie im Dialog miteinander standen. Als Frank Schmidt und Yvette Deseyve (Anm. d. Red.: Direktor Museen Böttcherstraße sowie stellvertretende Direktorin Alte Nationalgalerie Berlin) zu mir kamen, um mit mir über ihr Projekt zu sprechen, war für mich klar, dass wir es gemeinsam machen mussten.
Welche Bedeutung hat diese Zusammenarbeit für die Bedeutung und Würdigung der beiden Künstlerpersönlichkeiten?
Die Franzosen kennen Bernhard Hoetger kaum, obwohl er mehr als zehn Jahre in Paris lebte und mit französischen Künstlern ausstellte. Er wird für fast alle Besucher der Ausstellung in Nogent-sur-Seine eine Entdeckung sein. Bei Camille Claudel ist die Situation ganz anders. Nachdem sie völlig in Vergessenheit geraten war, erlangte sie durch Bruno Nuyttens Film, in dem sie von Isabelle Adjani gespielt wurde, große Bekanntheit. Doch die breite Öffentlichkeit interessierte sich zunächst für ihr tragisches Leben, manchmal zum Nachteil ihres Werkes. Die Ausstellung soll zu einer genaueren Betrachtung von Claudels Werken anregen, um sie nicht auf ihre biografische Dimension zu reduzieren.
Warum ist es wichtig, die Werke von Camille Claudel und Bernhard Hoetger in einem gemeinsamen Kontext zu präsentieren?
Hoetger war jünger und er baute seine Karriere vor allem nach dem Ende von Claudels Karriere auf. Durch den Dialog, der sich zwischen den Werken der beiden Künstler entwickelt, wird deutlicher, was jeden von ihnen auszeichnet. Dadurch kann Claudel auch von der unaufhörlichen Konfrontation mit Auguste Rodin Abstand gewinnen.
Welche Besonderheiten und Highlights erwartet die Besucher:innen der Ausstellung?
Die Besucher können „Das reife Alter“ sehen, das wir seit der Eröffnung des Museums im Jahr 2017 zum ersten Mal ausleihen. Es ist ein kraftvolles Werk, schon im Hinblick auf seine Dimensionen. Es ist viel größer als die normalerweise von Eugène Blot verkauften Skulpturen. Eine starke Wirkung entfaltet sich auch durch die Komposition der drei Figuren: Die Bewegung, die sie mitreißt, und das Thema – eine Darstellung des menschlichen Schicksals und der Zeit, die uns unaufhaltsam in Richtung Alter und Tod zieht.
Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus der länderübergreifenden Kooperation für die Planung und Durchführung der Ausstellung?
Durch unsere Zusammenarbeit können wir Werke aus unseren jeweiligen Sammlungen zusammenführen. Die Kehrseite besteht darin, dass diese noch durch andere Leihgaben ergänzt werden müssen, die für drei Etappen möglichst weit mobilisiert werden müssen. Das ist für Claudel besonders schwierig, da es nur wenige Werke gibt und oft als Leihgaben angefordert werden. Wir bringen auch unser jeweiliges Wissen ein, und zwar nicht nur die Expertise jeder Institution zu „ihrem“ Künstler. Für uns Franzosen ist es daher eine Bereicherung, den deutschen Standpunkt zu integrieren, um Camille Claudel in ihrer Zeit und in der Kunstgeschichte besser zu verorten.
Ausstellungsansicht Paula Modersohn-Becker Museum mit Camille Claudels L’Âge mûr (Das reife Alter) aus dem Musée Camille Claudel © Paula Modersohn-Becker Museum / Foto: Hannes von der Fecht
Interview: Christina Ivanda