Der Kunsthändler Hans Friedrich Secker erklärte den Verantwortlichen der Städtischen Galerie Kassel 1928 anlässlich des Ankaufs eines Bildes von Séraphine Louis, dass die feinen Risse in der Malschicht - das Craquelé - von der Künstlerin durchaus beabsichtigt seien.Tatsächlich durchziehen viele der Gemälde Louis‘ die charakteristischen Risse auf der Oberfläche, die wirken, als wäre die Malschicht aufgeplatzt. Dass diese offenbar schon 1928 erklärungswürdig waren, zeigt die Erklärung Seckers.
Die Risse lassen sich auf die besonderen Materialien und die Technik Séraphine Louis‘ zurückführen, die die Farben nass in nass auf die Leinwand setzte, d. h. in mehreren Schichten arbeitete und nicht abwartete, ehe die untere Schicht getrocknet war. Das Ergebnis ist spektakulär: Die Bilder wirken, als würde der Hintergrund in die vordere Bildebene gezogen und würde mit den Pflanzenformen zu einer transparenten ornamentalen Struktur verschmelzen. Ob Louis das Craquelé gezielt herbeiführte oder es als unvermeidlichen Teil eines Malprozesses in Kauf nahm sei dahingestellt.
- Autorin Dr. Henrike Hans, wissenschaftliche Mitarbeiterin & Kuratorin